Und weiter gehts. Länger als ich gehofft hätte, aber wenn wirs mit der Zeit vergleichen, die ihr auf das erste Kapitel warten musstet, ist es echt noch okay, oder? Näheres noch in Lesegruppenfrage 1.
Was bisher geschah:
Im ersten Kapitel begleiteten wir Professor Rodney Advani zu einem Besuch bei Präsidentin Sima, um mit ihr über eine bedrohliche Entdeckung zu reden, lernten Kapitänin Tisha kennen, die ebenfalls gerade eine solche gemacht hat und dafür von Jeanne auf der Brücke eingeschlossen wurde, sahen Banja bei einer nicht sehr glücklichen Prüfung für seine Arbeit als Tinker zu, und wurden Zeuge, wie Jahre später Jole und Kentub darüber beraten, wie sie mit den aktuellen Erkenntnissen über den Planeten umgehen, der das Ziel ihrer Mission sein sollte.
Was heute geschieht:
43.29.97
Piedra betrachtete den Auslass des Antriebs durch die Visorplatte ihres Helmes und befand, dass es an der Zeit war, sich einem anderen Bereich zuzuwenden. Hier war jetzt alles in Ordnung.
„.8 nach Norden bitte.“
Der stählerne Arm der Humanity bewegte sich um keinen Millimeter.
„Jeanne? .8 nach Norden?“
Keinerlei Reaktion. Piedra begann zu schwitzen.
„Jeanne, bist du da? Hörst du mich?“
Sie versuchte, ihre Stimme nicht zu schrill klingen zu lassen, und es gelang ihr, aber ihr HUD verriet, dass ihre Atemfrequenz und ihr Puls bereits merklich erhöht waren.
Die Vorstellung, hier draußen zu hängen, bis jemand einen Weg fand, den Arm zu reparieren, war zu nah an ihren schlimmsten Albträumen.
„Jeanne?“
„Ihre Anfrage wird bearbeitet.“
So frustrierend und verwirrend diese Antwort war, war sie doch zumindest eine Reaktion, und beruhigte Piedra genug, dass sie –
Was war das?
Etwas leuchtete am rechten Rand ihres Gesichtsfeldes auf, und Piedra drehte ihren Kopf in dem schweren Raumanzug in Richtung des Lichtblitzes, aber er war schon verschwunden.
Hatte sie sich das Leuchten eingebildet, oder war es wirklich ein Mikro-Einschlag gewesen? Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie den pockennarbige Rumpf der Humanity. Wu hätte vielleicht sagen können, ob da ein neuer kleiner Krater war, oder alles noch beim Alten, aber sogar er hätte wahrscheinlich näher heran kommen müssen, und der Arm bewegte sich noch immer nicht.
Mit einer Bewegung ihrer Augen befahl Piedra ihrem Head-Up-Display, zurückzuspulen, langsam, langsam, weiter, weiter, und – da. Halt. Da war der Lichtblitz. Eindeutig ein Einschlag.
„Jeanne, was war das gerade? Sind wir in einem Partikelregen?“
Das Schiff wurde während Außeneinsätzen routinemäßig so gedreht, dass die Technikerin an der Rückseite arbeitete, und im interstellaren Raum waren Hindernisse ohnehin selten, aber dennoch geschah es, dass hochenergetische Partikel, die sich mit noch höherer Geschwindigkeit als die Humanity bewegten, auch auf dieser Seite des Rumpfes einschlugen. Die Humanity war für solche Einschläge ausgelegt. Piedra nicht.
Die Raumanzüge waren sehr robust und starr genug, um die Arbeit zu einem frustrierenden Gedulds- und Geschicklichkeitsspiel zu machen, aber sie boten natürlich keinerlei Schutz vor Geschossen, die mit Geschwindigkeiten von über .5c auf sie trafen. Immerhin waren diese in aller Regel sehr klein, aber schon die winzigste Beeinträchtigung des Anzugs war hier draußen potentiell tödlich.
Piedra seufzte, schloss die Augen, atmete tief durch, durchdachte noch einmal die Situation und ihre Möglichkeiten, und sah ein, dass sie es nicht alleine schaffen würde.
Sie führte die Hand zur Schulter und betätigte die Ruftaste.
„Wu? Wu, kannst du mich hören? Jeanne reagiert nicht und ich hänge hier draußen, und nichts bewegt sich mehr, und ich glaube, ein Partikelschauer hat uns eingeholt. Kannst du auf manuelle Steuerung umschalten und mich wieder reinholen, bitte?“
…
„Wu?“
Piedra zwang sich, ruhig zu atmen, und nicht zu schreien.
„Wu, kannst du mich hören? Hier ist Piedra. Ich bin auf dem Außeneinsatz, um die Antriebseinheit 13f zu prüfen, wie wir besprochen hatten. Ich brauche Hilfe! Kannst du mich hören?“
Sie ließ ihren Blick hektisch über die metallene Haut der Humanity schweifen, als könnte sie Antworten oder Hilfe bieten, und versuchte, nicht zu sehr darüber nachzudenken, welches Ende ihr in den verschiedenen Szenarien bevorstand, die ihr Verstand fieberhaft eines nach dem anderen heraufbeschwor. Sie versuchte,sich nicht zu fragen, ob sie die Sauerstoffvorräte dieses mobilen Gefängnisses aufbrauchen würde, bevor sie verdurstete, ob sie hier draußen erfrieren würde, oder wie es sich anfühlen würde, wenn sie selbst getroffen werden sollte. Würden der Schock, die Hitze, der Blutverlust sie sofort töten? Würde der Anzug sich noch wieder versiegeln können, oder würde sie noch miterleben, wie die Luft aus dem Anzug entwich, ihre Gefäße platzten und ihr Blut zu sieden begann?
Wu hatte nie mit ihr darüber gesprochen, und sie hatte nie gefragt.
Sie nahm sich vor, das nachzuholen, falls sie noch die Chance bekam.
„Piedra?“
Sie brauchte ihre ganze Kraft, um nicht schrill zu kreischen vor Freude und Erleichterung.
„Piedra, entschuldige bitte, wir haben … Ich habe deine Nachricht nicht gleich gehört. Was hast du gesagt?“
Sie nahm einen bebenden, zitternden Atemzug, einen ruhigeren, und schließlich einen tiefen, fast ganz ruhigen, bevor sie antwortete:
„Ich hänge hier draußen an dem Arm, Wu, und Jeanne reagiert nicht mehr, und ich weiß nicht, was los ist. Ist was passiert bei euch?“
„Ich … weiß auch noch nicht genau, aber nichts Schlimmes, es geht allen gut. Bist du verletzt? Ist etwas beschädigt worden?“
„Nein“, antwortete sie. „Ich fürchte, wir sind in einem Partikelfeld, hier ist etwas eingeschlagen, aber noch ist nichts passiert. Ich würde nur gerne wieder reinkommen. Kannst du auf manuelle Bedienung umstellen und mich wieder ins Schiff bringen?“
Einige Sekunden vergingen, die Piedra wie Minuten vorkamen, bevor er antwortete: „Ich komme. Gibt mir ein paar Minuten.“
„Okay. Kein Problem.“
Ihre Stimme brach fast gar nicht an den drei Worten.
Die folgenden Minuten waren sicher nicht die schlimmsten in Piedras Leben, denn immerhin bestand nun anders als vor Wus Antwort eine konkrete Aussicht auf Rettung. Aber sie waren gewiss irgendwo auf der Liste.
„Da! Da war gerade noch ein Einschlag! Wu, ich will nicht ungeduldig erscheinen, aber du würdest mir eine ganz besondere Freude machen, wenn du dich möglichst beeilen würdest.“
„Ich bin unterwegs.“
Bevor der Arm sich schließlich wieder in Bewegung setzte, glühte noch ein weiteres Licht neben Piedra auf, und sie seufzte erleichtert auf, als sich vor ihr die Schleuse öffnete.
„Zeigen die Sensoren denn gar nichts an?“ fragte sie. „Ist da ein Nebel , oder irgendwas?“
„Ich konnte noch nicht nachsehen“, antwortete Wu, „Aber mir hat niemand was gemeldet. Irgendwas stimmt anscheinend gerade mit Jeanne nicht, aber wir sind dabei.“
„Das war verdammt fürchterlich.“
„Jetzt hast du es ja gleich geschafft.“
Das war der Moment, in dem sie getroffen wurde.
- Mai 2043
„Vergessen Sie es, Colonel. Sie und Ihre Bioingenieure können sich das noch so schön überlegen, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die Siedler in 120 Jahren noch irgendwas drum geben, was Sie in Ihre Richtlinien geschrieben haben. Denen werden unsere Ziele und Gesetze ähnlich viel bedeuten wie Ihnen und mir der Talmud und die Magna Charta.“
„Manchen von uns bedeuten diese beiden Dokumente noch sehr viel, Senator.“
„Manchen. Ja. Wie viele auf Ihrem Schiff müssen sich an die Regeln halten, damit das Projekt Erfolg hat?“
„Die Fehlermarge ist nicht sehr groß, ja, aber wir haben durchaus mit einer gewissen Toleranz geplant, und ..:“
„30 Personen, Colonel.“ Senator Bowman schüttelte den Kopf. „Wie viel Toleranz können Sie da haben? Sie werden niemals eine Finanzierung bekommen. Nicht in diesem Kongress.“
„Nach den nächsten Wahlen ist es zu spät. Wir brauchen 20 Jahre, bis wir nur den Antrieb fertig geplant haben. Wenn Professor Advani Recht hat, wird der Komet 2080 die Erde treffen.“
„Oder eben nicht.“
Colonel Bly nickte langsam.
„Oder eben nicht. Sind wir bereit, unsere gesamte Hoffnung auf ein ‚oder eben nicht‘ zu setzen?“
Senator Bowman sah von seinem Schreibtisch zu ihm auf. Einige Sekunden lang betrachtete er das kantige, wettergegerbte Gesicht des Offiziers dann zuckte er stumm die Schultern.
„Was, wenn wir einen Plan hätten, der die Compliance aller Projektteilnehmer garantiert?“
Bowmans Augenbrauen zogen sich zusammen, und seine Lippen wurden schmaler, aber Bly hatte wieder sein Interesse.
„Ich höre.“
Rodney kämpfte seit Stunden mit dem Bedürfnis, aufzustehen, um Entschuldigung zu bitten und knapp zu erläutern, dass er eigentlich zu diesem ganzen Prozess nichts beizutragen hatte, weil er nämlich Astrophysiker war und deshalb von Raumschiffen, Psychologie, Genetik und anscheinend so ziemlich allen Themen, die mit Projekt Humanity zu tun hatten, absolut nichts verstand, und sich deswegen hier völlig Fehl am Platz fühlte. Wahrscheinlich wurde er nur deshalb noch zu den Besprechungen eingeladen, weil er eben von Anfang an dabei gewesen war und niemand derjenige sein wollte, der die Entscheidung traf, ihn auszuschließen, und zweitens vielleicht, weil alle hofften, im Notfall ihm die Schuld zuweisen zu können, wenn etwas schief ging.
Was ihn hielt, war, abgesehen davon, dass er keine Umstände machen und all diese wichtigen Leute nicht unnötig unterbrechen wollte, seine Neugier. Humanity war nach so ziemlich allen denkbaren Maßstäben das größte, bedeutsamste, ehrgeizigste und beeindruckendste Vorhaben, das Menschen je unternommen hatten, und es schien ihm unvernünftig, die Chance auf Teilhabe an diesem Projekt leichtfertig zu vergeben.
Und schließlich war es ja nicht so, als würde irgendetwas anderes, was er oder sonst jemand tun könnte, langfristig noch etwas bedeuten. Oder?
„… und ich glaube, dass sie, mit angemessenen Mitteln ausgestattet, in der gegebenen Zeit eine KI gestalten könnte, die die Einhaltung der kritischen Parameter über die gesamte Missionsdauer sicherstellen würde.“
Oh. Rodney hatte anscheinend einen wesentlichen Teil des Beitrags des Senators verpasst, während er über seine Situation nachdachte.
Immerhin konnte er anhand des Gesichtsausdrucks des Colonels recht gut erkennen, was dieser davon hielt.
„Was für ein günstiger Zufall, dass gerade in Ihrem Wahlkreis diese Universität ist, die mit zusätzlichen Mitteln einen unverzichtbaren Beitrag zur Lösung eines Problems leisten könnte, auf das Sie in Ihrer Weitsicht uns dankenswertweise selbst hingewiesen haben, hm?“
Der Senator zuckte die Schultern.
„Ich kann nichts dafür, dass ich nun einmal vorrangig Forscher aus meinem Wahlkreis näher kenne. Wenn Sie eine vielversprechendere Kandidatin haben, bitte, schlagen Sie sie vor. Ich bin weiß Gott kein Experte, aber mir schienen Mrs. Martinez‘ bisherige Ergebnisse sehr vielversprechend.“
„Und sogar wenn sie es wären! Wir können doch nicht im Ernst eine Mission, an der buchstäblich die Zukunft unserer gesamte Spezies hängt, komplett von einer Technologie abhängig machen, die noch nicht einmal existiert! Ich würde jederzeit gut ausgebildeten Menschen in einer etablierten Kommandostruktur mehr vertrauen als einem Jahrhunderte alten Computer, und das gilt umso mehr, wenn es darum geht, über das Leben und den Fortbestand genau dieser Menschen zu entscheiden!“
„Colonel“, warf Präsidentin Sima ein, die der Diskussion bisher schweigend und mit sehr auffällig neutralem Gesichtsausdruck zugehört hatte, „so wie ich es verstehe, hängt ohnehin auch jetzt schon diese gesamte Mission an zahlreichen Technologien, die noch nicht existieren, und ich habe Zweifel, ob Ihre Kommandostruktur und die Ausbildung der Menschen, die sie aufrecht erhalten sollen, über mehrere Generationen garantiert werden können, wenn nicht jemand einhundertprozentig Zuverlässiges von Anfang bis Ende ihre Kontinuität garantiert. Wir werden prüfen, ob Mrs. Martinez wirklich eine geeignete Kandidatin für unsere Vorhaben ist. Oder was meinen Sie, Professor Advani?“
„Hm? Ohh… Naja, also. Ich denke … Naja.“
45.29.97
Als Piedra erwachte, fand sie sich auf einer Liege wieder, und war in den ersten Sekunden zu erleichtert, noch am Leben zu sein, um die Schmerzen als besonders unangenehm wahrzunehmen.
Dann wurden ihre Gedanken klarer, und kamen zu dem Punkt, an dem ihr bewusst wurde, dass Überleben nicht alles war.
„Psmith!“ rief sie, „Bist du da? Was ist mit mir passiert? Kann ich schon … Also, bin ich … Hab ich …“
Sie wollte die Decke heben und selber nachsehen, wagte es aber nicht. Sie wagte nicht mal, ihre Zehen zu bewegen oder vertieft über ihre Extremitäten nachzudenken.
Sie wusste, dass der Schmerz in ihrem linken Bein nicht unbedingt bedeutete, dass es noch Teil ihres Körpers war.
„Ahhh, es leeeeebt!“
Psmith hinkte zu ihr in den Raum und grinste sie an.
„Keine Sorge, du musst deinen schicken Raumanzug nicht hergeben. Ich wäre ein paar Wochen lang vorsichtig mit dem Bein, wenn ich du wäre, aber im schlimmsten Fall bekommst du ein charakteristisches Gangbild wie dein großes Idol.“
„Du bist nicht mein Idol, Psmith!“
Er zuckte die Schultern.
„Aber wenn dein Bein nicht komplett verheilt, kann ichs vielleicht noch werden, hm?“
„Okay, sehr lustig, du bist sehr lustig. Jetzt sag mir, was passiert ist.“
„Ein Partikel hat deine linke Wade durchschlagen, aber der Anzug konnte sich versiegeln, bevor größerer Schaden entstanden ist. Ich habe die Wunde freigeschnitten, damit sie besser verheilen kann, desinfiziert und verbunden. Wenn nicht etwas Außergewöhnliches hinzukommt, müsste der Muskel problemlos in zehn bis zwanzig Tagen verheilt sein. Alles sehr undramatisch. Ich verstehe auch nicht, warum du noch da liegst, statt dich an deine Arbeit zu machen.“
Sie streckte ihm die Zunge heraus und machte ein unfreundliches Geräusch.
„Tut aber fies weh. Kannst du mir noch was gegen die Schmerzen mitgeben?“
Psmiths Lächeln flackerte kurz, und seine Schultern sanken sichtbar zusammen.
„Tut mir leid“, erwiderte er. „Die Schmerzmittel sind knapp, ich spare die Vorräte für ernstere Fälle. Du wirst es irgendwie aushalten müssen. Alles, was ich dir bieten kann, sind die hier.“
Er zog ein paar Gehstützen aus einem Schrank, lehnte sie gegen Piedras Liege und gestikulierte in ihre Richtung.
Sie zog ihre Brauen zusammen und musterte ihn ein paar Sekunden lang.
„Wieso sind die Schmerzmittel knapp? Seit deinem Unfall mit Berkmann hat sich doch niemand mehr ernsthaft verletzt, oder?“
„Wollen wir jetzt miteinander unsere Jobs diskutieren?“ fragte Psmith ungewohnt scharf zurück. Jede Spur von echter Freundlichkeit war aus seinem Gesicht verschwunden. Alles, was blieb, war ein sarkastisches Grinsen. „Soll ich dich fragen, warum du bei deinem vierten Außeneinsatz von einem Partikel verletzt wurdest, obwohl der Durchschnitt bei vierundfünfzig liegt?“
„Es war mein fünfter,“ antwortete Piedra, „Und das ist was völlig anderes. Du weißt genau, dass ich weder für die Partikel was kann, noch für Jeannes Probleme.“
„Ach, aber ich bin Schuld, dass die Schmerzmittel knapp werden?“
„Das hab ich doch gar nicht gesagt! Ich verstehe nur nicht, wie sie knapp werden können, wenn niemand welche braucht. Oder ist mir die Serie von schrecklichen Unfällen entgangen, die hier seit Monaten grassiert?“
Er zuckte wieder die Schultern und wendete sich von ihr ab.
„Ich sehe nicht ein, worüber wir hier diskutieren. Es sind nicht genug da, du brauchst sie nicht dringend genug, und wenn dir das nicht gefällt, tuts mir leid, aber ich kanns auch nicht ändern. Du kannst zurück in deine Kabine und dich ein paar Tage ausruhen. Wu kommt sicher so lange ohne dich zurecht. Sag ihm am besten selbst Bescheid, ja?“
„Ich verstehe nicht, warum dus mir nicht einfach erklärst! Oder ist es ein großes Geheimnis?“
„Wer nett fragt, bekommt nette Antworten.“
„Ich wollte doch nur …“
„Hey, kein Problem übrigens, dass ich dein Leben gerettet habe, und dein Bein, immer gerne. Dafür bin ich da.“
Sie streckte ihren Mittelfinger in seine Richtung aus, kletterte von der Liege, griff in die Gehstützen und humpelte aus der Krankenstation in den Flur, wo sie beinahe mit Banja und Nico zusammenstieß.
Ihr Gesicht hellte sich auf.
„Hallo Banja! Nico!“
Sie umarmte ihn, und winkte Nico freundlich zu.
Die beiden wechselten kurz einen sonderbar betretenen Blick – vielleicht hatten sie gerade über irgendwas gesprochen, was sie nicht hören sollte? –, und Banja betrachtete sie ratlos für ein paar Sekunden, bevor er schließlich fragte, sich der Dummheit der Äußerung sichtlich bewusst, während er sie aussprach:
„Hast du dich verletzt?“
„Ja, ich war draußen, um einen Antrieb zu reparieren, und bin getroffen worden. Hat den Anzug und mein Bein komplett durchschlagen, aber zum Glück nichts Wichtiges beschädigt.“
„Oh…“ sagte er, und Nico schaute betreten zu Boden und murmelte etwas Mitfühlendes, aber nicht ganz Ausartikuliertes. „Das … hat sicher weh getan, was?“
„In dem Moment nicht, ich habs kaum richtig wahrgenommen, bevor ich ohnmächtig wurde, aber jetzt gerade ist es richtig eklig. So ein pochender, nerviger Schmerz, weißt du?“
„Oh. Ja. Die sind fies.“
Sie grinste herausfordernd .
„Wenn du willst, kann ich dir nachher die Wunde zeigen. Kommst du vorbei?“
„Ähhh… Tut mir leid, aber .. Ich kann nicht gut Blut sehen, und … ich hab eigentlich schon was vor.“
Nico stubste ihn mit seinem Ellenbogen an.
„Nee, ich kann wirklich nicht“, wiederholte Banja.
Nico atmete tief aus.
„Kein Problem“, sagte Piedra, „Ist eh verbunden, und Psmith machte gerade nicht den Eindruck, als würde er sich besonders freuen, mich bald wiederzusehen, und ist wahrscheinlich eh besser, wenn ichs in Ruhe lasse. Wollen wir einfach so mal was machen, demnächst? Morgen vielleicht? Ich könnt ein bisschen Ablenkung gebrauchen, er hatte keine Schmerzmittel mehr. Also, nicht dass ich sonst …. Also, der Schmerz ist halt echt fies, und ich will nicht die ganze Zeit rumsitzen und drin schwelgen, weißt du?“
„Ja.. klar. Ich glaub, morgen können wir bestimmt mal irgendwie … Ich meld mich deshalb noch mal, in Ordnung?“
„Klar, kein Problem. Ich kann dir vielleicht mal die Gedichte vorlesen, von denen ich dir erzählt hab. Würde mich total interessieren, was du so dazu meinst, und vielleicht kann … weiß nicht, vielleicht zeig ich dir auch mal die Raumanzüge, die sind eigentlich ganz interessant. Was meinst du?“
„Mhm, ja, ich … guck dann mal, wie ich Zeit hab, ja? Bis morgen!“
„Ja, machts gut, bis morgen!“
Sie umarmte Banja noch mal, Nico nickte ihr zu und murmelte irgendwas „…. mit deinem Bein“, was Banja daran erinnerte, „Werd bald gesund!“ zu sagen, bevor er mit Nico weiter schlenderte.
Piedra humpelte auf ihren Krücken in ihre Kabine, blieb vor deren Tür stehen, dachte kurz darüber nach, was sie da drinnen tun konnte, und entschied sich daraufhin, doch lieber noch ein bisschen weiterzuhumpeln, um Wu zu fragen, was genau nun eigentlich passiert war.
Lesegruppenfragen:
- Ich schätze, dass ich nicht immer so lange zum Schreiben brauchen werde wie diesmal, aber ich kann es nicht versprechen, und hin und wieder wird es wahrscheinlich sogar noch länger dauern. Ihr wisst ja, wie das Leben so spielt. Ich hab mich deshalb gefragt, ob es für euch (und vielleicht ja sogar für mich) nicht ein bisschen angenehmer wäre, wenn ich nicht alle paar Wochen rund sechs Seiten veröffentliche, sondern eher im Wochentakt, dafür aber weniger, also eher so ein bis zwei Seiten. Was haltet ihr davon?
- Keine Sorge, ich schreib das nicht zu jedem einzelnen Kapitel, aber gerade jetzt am Anfang würd ichs gerne noch mal betonen: Wenn ihr merkt, dass ich irgendwo Quatsch schreibe, etwas physikalisch so nicht sein kann, oder ihr halt irgendwas besser wisst über interstellaren Raum und Reisen darin, lasst es mich bitte wissen. Ich kann nicht versprechen, der Realität immer den Vorrang gegenüber meine Fiktion zu geben, aber ich bin auf jeden Fall dankbar für jede Belehrung.
- Insbesondere der Dialog zwischen Piedra und Banja war nun sehr unliterarisch und umgangssprachlich. Was haltet ihr davon?
- Ich habe von berufener Stelle das Feedback bekommen, dass am Anfang der Geschichte die Leserin etwas zu plötzlich hineingeworfen wird und dass mehr Einführung in die Situation und die Begrifflichkeiten die Lektüre erleichtern würde.
Ich persönlich steh nicht so auf sowas, aber trotzdem würde mich natürlich eure Meinung interessieren.
1. Spontan finde ich den Vorschlag sehr attraktiv, weil mir meine Freude nicht ganz propotional zur Textmenge vorkommt (sondern immer mit einem Grundbetrag, wenn irgendwas Neues erscheint), bin aber nicht 100% sicher, was ich vom Lesen her dann wirklich angenehmer fände. Ich bin deshalb unentschlossen genug, um für sinnvoll zu halten, dass Du das lieber so machst, wie es für dich schreibenderweise angenehmer ist. Auch wechselnd, je nach Zeit und Laune. Ausprobieren.
2. Ich bin da leider nicht nur wenig bewandert, sondern vor allem katastrophal unkritisch. Aber ich werds versuchen.
3. Das fand ich okay. Dafür fühle ich mich jetzt mit diesem Psycho-Cliffhanger sehr unwohl (Nico ist nicht richtig lieb und ich hab keine Idee warum), fürchte aber, das ist Absicht.
4. Das fand ich hier nicht unangenehm, weil ich trotzdem den Eindruck hatte, den akut beschriebenen Ereignissen sehr wohl folgen und sie ’nur‘ noch nicht genau in ein größeres Bild einordnen zu können. Und gerade die Selbstverständlichkeit, mit der Du die Terminologie Deiner Welt verwendest, macht es mir eher leichter, in die Geschichte einzutauchen, als wenn offensichtlich an mich, die Leserin, gerichtete Erklärungen eingeflochten wären.
5. Ich mochte den Absatz, in dem Rodney über seine Nützlichkeit nachdenkt, besonders gerne.
1. Spielt für mich keine Rolle. Mach es so, wie es für dich besser ist.
2. Ist nicht mein Gebiet, aber du hast nachgeschlagen, wie viel Energie bei einem solchen Teilchenaufprall freigesetzt wird und ob dies mit dem Ausmass der beschriebenen Verletzung übereinstimmt?
3. Persönlich bevorzuge ich eine gehobenere Sprache, aber viele dürften das anders sehen.
4. Ist für mich schwer zu beurteilen. Ich habe schon so viel Science Fiction gelesen, das mir vieles vertraut vorkommt, auch wenn du es nicht explizit erläuterst. Kommt wohl auf das Vorwissen und die Genrekenntnisse der Lesenden an.
1. Mach so, wie es dir am besten passt.
2. Na ja, eigentlich bin ich nicht so kritisch und lasse mich gerne bewusst bullshiten, solange es dem Plot dient. Sci-Fi hat halt so an sich, dass nicht immer alles 100% mit den Naturgesetzen im Einklang ist. Aber wenn du schon fragst: Die Partikel haben mich schon ein wenig stutzig gemacht. Was sind das für Partikel und können die einen solchen Schaden anrichten?
3. Das war okay so. In so einem Dialog erwarte ich keine schöne Sprache, eher Panik und abgehackte Sätze, sprich alles was auf Stress hindeutet. Hauptsache die Charaktere reissen in solche Situationen keine unnötigen Witze.
4. Ich mag es ja, ohne ausführliche Erklärungen in eine Welt hineingeworfen zu werden, kann aber gut nachvollziehen, wenn andere das nicht mögen.
5. Ihr habt es sicher alle bereits mitbekommen, aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass es jemand vergessen hat oder nicht weiss: Dieses Wochenende läuft Interstellar von Christopher Nolan an. Ich weiss nicht wie ihr das seht, aber so wie ich das einschätze, lohnt der sich ziemlich sicher.
Dank an alle für die Kommentare. Ich freue mich sehr, auch wenn ich gerade mit dem zeitnahen Antworten etwas überfordert scheine.
@phntst, unendlichefreiheit: 2. Ich gebe zu, dass ich es mir hier sehr leicht gemacht habe. .5c war wahrscheinlich eine gewagte Angabe, war ja aber zum Glück auch nur in den Überlegungen der Figur. Tatsächlich gibt es Staub und kleine Partikel im interstellaren Medium, und tatsächlich bewegen die Dinge im All sich relativ zueinander oft sehr schnell, und man muss ja nur ein bisschen mit Masse und Geschwindigkeit spielen, um so ziemlich jeden denkbaren Effekt zu erzeugen. Unmöglich ist mein Szenario also wohl nicht. Ob es plausibel ist, habe ich in oberflächlicher Recherche leider nicht herausgefunden. Ich werde versuchen, mich weiter zu informieren, aber der Grat ist schal, auf dem ich mich hier bewege.
Pingback: Generationenschiff (5) | Fabian Elfeld, Schriftsteller
Pingback: Generationenschiff (6) | Fabian Elfeld, Schriftsteller
Pingback: Generationenschiff (7) | Fabian Elfeld, Schriftsteller
Pingback: Generationenschiff (8) | Fabian Elfeld, Schriftsteller
Pingback: Generationenschiff (9) – Fabian Elfeld, Schriftsteller
Pingback: Generationenschiff (11) – Fabian Elfeld, Schriftsteller
Pingback: Generationenschiff (10) – Fabian Elfeld, Schriftsteller