Ich weiß, dass hier niemand mehr mitliest.
Aber darum geht es nicht.
Das ist eine Sache zwischen mir und dem Buch.
Kennt ihr Der Alte Mann Und Das Meer?
Was bisher geschah
Im ersten Kapitel begleiteten wir Professor Rodney Advani zu einem Besuch bei Präsidentin Sima, um mit ihr über eine bedrohliche Entdeckung zu reden, lernten Kapitänin Tisha kennen, die ebenfalls gerade eine solche gemacht hat und dafür von Jeanne auf der Brücke eingeschlossen wurde, sahen Banja bei einer nicht sehr glücklichen Prüfung für seine Arbeit als Tinker zu, und wurden Zeuge, wie Jahre später Jole und Kentub darüber beraten, wie sie mit den aktuellen Erkenntnissen über den Planeten umgehen, der das Ziel ihrer Mission sein sollte.
Im zweiten Kapitel hat Piedra zunächst einen Unfall bei einem Außeneinsatz und führt dann ein schwieriges Gespräch mit Psmith, und die Präsidentin entscheidet, die Idee einer KI zur Kontrolle der Mission weiter zu verfolgen.
Im dritten Kapitel debattiert der Besatzung der Humanity über die Vor- und Nachteile einer Landung auf Last Hope versus derer eines Weiterflugs zu einer anderen wirklich allerletzten Hoffnung, Piedra versucht vergeblich, mit Wu über ihren Verdacht gegen Smith zu reden und wendet sich deshalb an Tisha, die gerade gar keine Lust hat, mit so etwas behelligt zu werden, und im Übrigen ist Senator Bowman der Meinung, dass der Planemo vernichtet werden muss.
Im vierten Kapitel wimelt Tisha Piedra ab und sieht mit Jeanne zusammen ein Video von unfassbarer historischer Bedeutung, Nico und Banya fachsimpeln über die Erde und bekommen Besuch von Piedra, und in unserer Zeit versucht Jerry Martinez, die ihn ihre KI gesetzten Erwartungen zu dämpfen.
Im fünften Kapitel folgt Jeanne Kentubs Empfehlung, Tisha will dem Ruf der Natur eigentlich nicht folgen, und Piedra versucht vergeblich, Banya ihren Verdacht gegen Psmith zu erklären.
Im sechsten Kapitel gerät Piedra mit Psmith aneinander, Kentub und Jeanne mit Marchand, und Rodney mit Jerry Martinez.
Im siebten Kapitel verhört Jeanne erst Piedra und dann Tisha, Kentub und Jeanne gehen zu dem Fremden, und Jerry und Rodney diskutieren über die Rettung der Menschheit.
Im achten Kapitel verkündet Jeanne in einer Teambesprechung einige wichtige Neuigkeiten, Kentub versucht, mit dem Fremden zu diskutieren, und Jeanne ernennt ihn zum neuen Kapitän.
Im neunten Kapitel streitet sich Banja zuerst mit Piedra und sagt dann seinem Vater, dass er sie nicht will. Kentub hält das für keine gute Idee.
Später versucht Kentub, die Kampfhandlungen zwischen den verfeideten Fraktionen an Bord der Humanity zu beenden indem er Marchant seine Position nahebringt, während auf Last Hope die Dienerinnen des Ersten Staates von einem neuen Stern erfahren.
Im zehnten Kapitel verbünden Tisha und Piedra sich gegen Psmith, um dann von ihm überrascht zu werden (also, nicht in dem Sinne, das sie sich dafür verbündet haben… Ihr wisst schon. Ja, das ist eine blöde Formulierung. Ich gewöhn sie mir ab.), Rodney besucht die Einrichtung, in der die Kinder für die lange Reise vorbereitet werden, Banja meldet sich freiwillig, und Kentub ringt mit den Konsequenzen seiner Entscheidung.
Im elften Kapitel verabschiedet Banja sich von Nico, Kentub betritt Last Hope, und Rodney lernt Celia kennen.
Im zwölften Kapitel redet Psmith mit Tisha und Piedra, Kentub begegnet Jeanne auf Last Hope, seine Transportgelegenheit verstirbt, und Präsidentin Sima gibt ein Interview.
Im dreizehnten Kapitel sehen wir die Ereignisse zwischen Kentub und Marchant noch einmal aus Marchants Perspektive, Marchant rettet ihn auf Last Hope, und Psmith erklärt weiter seinen diabolischen Plan. Der Schuft.
Im vierzehnten Kapitel berät die Präsidentin über Methoden zur Konservation der Besatzung, Marchant und Kentub reiten auf Jeanne über Last Hope und werden verfolgt, und Psmith wird endlich fertig damit, seinen diabolischen Plan zu erklären. Der Schuft.
Im fünfzehnten Kapitel macht Jeanne der Besatzung eine Ansage, und Kentub und Tisha beraten anschließend mit ihr, wie sie die umsetzen, und in der weiteren Zukunft führen die fremden Kreaturen Jeanne, Kentub und Marchant in die Dunkelheit.
Im sechzehnten Kapitel versucht Jole mit den übrigen Kolonistinnen eine Entscheidung zu treffen, Tisha sägt an Kentubs Stuhl, Marchant ereilt schon wieder sein Schicksal, und Kentub versucht, eine Meuterei zu vermeiden, mit unwillkommenere Hilfe von Jeanne.
Im siebzehnten Kapitel reitet Kentub auf Jeanne zu der toten Riesentermite zurück, die Präsidentin gibt ein Interview, und Banja zweifelt an seinen Entscheidungen.
Im achtzehnten Kapitel beendet Jeanne eine Meuterei, und erst Jole und Nimue und dann Jole, Kentub und Jeanne debattieren über die Zukunft der Kolonie.
Im neunzehnten Kapitel verhandelt Kentub mit Nimue über Ressourcen, diskutiert danach mit Jole und Jeanne die Zukunft der Kolonie, Banja möchte ein Held sein, eine Zeitung berichtet über die Machenschaften der Regierung Sima und Nimue begegnet mit Piri zusammen einem der Termitenwesen.
Im zwanzigsten Kapitel trifft sich die Besatzung im Arboretum, und Banja und Piedra führen ein Gespräch. Präsidentin Sima verschiebt die Wahlen. Und Piri und Nimue erhalten ein Geschenk, und geben eins zurück.
Im 21. Kapitel ersteht Kentub von den Toten auf, oder bleibt eigentlich erst mal liegen, erwacht aber immerhin zum Leben, Banja betritt das Schiff der Fremden und trifft dort 1 alten Bekannten, und Kentub droht, an seinen Kolonist*innen zu verzweifeln, aber dann kommt 1 Raumschiff.
Im 22. Kapitel begegnen Kentub und Banja einander wieder, und Nimue und Psmith führen ein nicht unproblematisches Gespräch.
Im 23. Kapitel erleben wir eine entgleisende Demonstration gegen Präsidentin Simas geheime Projekte.
Im 24. Kapitel reden Kentub und Jole über das Hydrokulurset, Nimue und Psmith über Waffen, Rodney will mit der Präsidentin sprechen, und Jole und Piedra gehen auf eine Reise.
Im 25. Kapitel versucht Nimue vergeblich, schlafen zu gehen, Jole und Piedra versuchen weniger vergeblich, zu Nimues Siedlung zu reisen, und Nimue ist wiederum relativ erfolgreich mit ihrem Versuch, Psmith zu verprügeln, nachdem sie ihm in den Gang gefolgt ist.
Im 26. Kapitel muss Rodney Sima eine schwierige Mitteilung machen, Jole und Piedra erreichen Nimues Siedlung, und Banja plaudert mit dem Fremden.
Im 27. Kapitel bekommt Präsidentin Sima unerwarteten und unwillkommenen Besuch, während Psmith wiederum einen solchen abstattet und angemessen begrüßt wird.
Im 28. Kapitel planen Kentub und Jole Verhandlungen mit Nimue, Banja besucht sie, und Präsidentin Sima führt ein weiteres unerquickliches Gespräch mit den beiden Repräsentantinnen.
Im 29. Kapitel
werden Manju und Jim evakuiert, Sima führt ein unerquickliches Gespräch im Krisenraum, Banja, Kentub und Jeanne diskutieren den Wunsch der Fremden nach einer Expedition, Colin Blye findet den Tod, und Banja und Jeanne plaudern noch ein bisschen.
Was heute geschieht
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„Jole?“
„Vergiss es.“
„Nein wirklich.“
„Ich habe klare Anweisungen.“
Kentub seufzte. Er breitete die Arme aus in einer Geste, die nicht deutlicher hätte sagen können: ‚Komm, lass uns beider vernünftige Erwachsene sein‘, wenn er es dazu gesagt hätte.
„Ich find die beiden doch jetzt eh nicht mehr“, sagte er.
„Noch vier Stunden, 32. Warts einfach ab.“
„Was glaubst du, was ich mache?“
„Spielt keine Rolle“, antwortete xier. „Nicht meine Entscheidung.“
„Ich würde jetzt auch einfach nur meine Arbeit weitermachen. Du schadest der ganzen Siedlung.“
„Welche Arbeit?“, fragte Jole
„Ja gut. Auf diese Frage hätte ich vorbereitet sein müssen.“
„Warts einfach ab.“
„Aber du findest auch nicht gut, dass sie mich hier eingesperrt haben, oder?“, fragte Kentub.
„Absolut gar nicht, wenns dir eine Freude macht.“
„Macht es. Danke.“
Er nickte und grinste zufrieden.
„Und wenn ich jetzt drüber nachdenke, dass ich vorhin schon die Situation total bizarr fand, mit dir zusammen irgendwohin zu gehen, um eine gemeinsame Aufgabe zu erledigen“, murmelte Banja.
„Ich kann Ihre Empfindung weder teilen, noch nachfühlen, hatte sie aber erwartet und kann Ihnen meine aktuelle Schätzung mitteilen, wann sie nachlassen wird.“
„Danke.“
Die Kriegerin stakste einfach nur neben ihnen her, ohne etwas zu sagen. Natürlich. Banja ging davon aus, dass sie nicht sprechen konnte. Trotz des vage ähnlichen Körperbaus waren die Bewegungen seiner beiden sechsbeinigen Begleiterinnen sichtbar unterschiedlich. Jeannes Beine bewegten sich in einer maschinenhaft präzisen und gleichförmig flüssigen Art, die Beine des einheimischen Wesens staksten in der typisch insektoiden Jetzt-hier-jetzt-da-Hektik, die sogar durch ihre enorme Größe nicht deutlich gemindert schien.
„Würdest du sagen, dass du meine Gefühle verstehen kannst, Jeanne?“
„Ja.“
„Offensichtlich…“
Sie liefen ein paar Sekunden nebeneinander her, bevor Banja eine bessere Erwiderung einfiel: „Kannst du sie mir erklären?“
„Mit den Mitgliedern der Besatzung die Funktionen ihres Bewusstseins zu diskutieren gehört nicht zu meinen Aufgaben, und es steht nicht einmal außer Zweifel, dass Sie überhaupt noch zur Besatzung gehören.“
„Ausrede“, murmelte Banja, und war sich nicht sicher, ob er hoffte, dass Jeanne es hörte. Jedenfalls antwortete sie nicht.
Und damit war er eigentlich ganz zufrieden.
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Gerade als Banja sich zu fragen anfing, ob das alles nur ein sehr aufwändiger dummer Witz der Fremden war, kamen sie am Ende des Ganges an – und er fragte sich, ob das alles nur ein sehr aufwändiger dummer Witz der Fremden war.
„Und nun?“
„Ich schließe aus Ihrer Frage, dass die Fremden Ihnen auch keine weiteren Informationen mitgeteilt haben, die in dieser Situation nützlich sein könnten.“
„Deine Logik ist wie gewohnt unantastbar in ihrer strahlenden Makellosigkeit, Jeanne.“
„Die Vermutung liegt nahe, dass etwas in dem Eis verborgen ist.“
„Inwiefern liegt sie näher als jede andere Vermutung, die wir jetzt gerade anstellen könnten?“
„Beobachten Sie das einheimische Wesen.“
„Es steht einfach nur da und bewegt sich nicht. Wie immer, wenn … sie sich nicht gerade bewegen. Also, du weißt schon.“
„Wenn Sie genauer beobachten, werden Sie bemerken, dass es in einer anderen Haltung steht als vorhin, die ihm eine schnellere Reaktion ermöglicht. Ich würde es als eine Verteidigungshaltung kategorisieren.“
„Woran willst du das erkennen? Das Ding steht einfach nur genauso da wie sonst, oder?“
„Die Beine sind um 8° stärker gebeugt, wahrscheinlich um schneller Sprungkraft bereitzustellen und kürzere Reaktionszeiten zu ermöglichen, ebenso die Arme, der Kopf ist dennoch durch Streckung des Thorax rund 20cm höher als vorhin, wahrscheinlich um bessere Übersicht zu ermöglichen, und er bewegt sich dreimal schneller, wahrscheinlich weil die Facettenaugen manche Details so besser früher erkennen können.“
„Wie er bewegt sich? Da bewegt sich doch gar nichts!“
„Sie irren sich. Der Kopf des Wesens bewegt sich sakkadenartig, wenn auch nur sehr geringfügig. Dies ist immer der Fall. Ich vermute, dass dies einen ähnlichen Zweck erfüllt wie die Sakkaden menschlicher Augen. Die höhere Geschwindigkeit könnte auf erhöhte Reaktionsbereitschift hinweisen.“
„Könnte.“
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„Seht ihr! Ich hab doch gleich gesagt, ihr solltet mich mitnehmen! Hättet ihr direkt auf mich gehört, hättet ihr euch viel Zeit und Mühe … Moment. Wie bin ich hierher gekommen?“
„Bist du nicht“, antwortete Banja. „Es kommt dir nur so vor.“
„Ah. Du meinst … Ich bin noch auf dem Planeten in der Kapsel, und das hier ist eigentlich nur ein Kommunikationsmittel?“
„Ja, Kentub. Als ich sagte, dass es dir nur so vorkommt, als wärst du hier, meinte ich, dass es dir nur so vorkommt, während du in Wahrheit gar nicht hier bist.“
„Es tut mir so leid, dass du keine bessere Kindheit hattest.“
„Nicht lustig.“
„Entschuldigung. Was ist mit Jeanne und Jole, und der Termite? Glauben die auch, sie wären hier, oder glaube das nur ich, aus irgendwelchen Gründen, die mir vielleicht später noch klar werden?“
„Jeanne kann auch mit uns kommunizieren und nimmt alles wahr, was du hier illusorisch tust. Bei der Kriegerin … bin ich mir nicht so sicher. Und ich bin mir nicht mal sicher, ob die Fremden sich da sicher sind. Dass wir sie da sehen, könnte heißen, dass es ihnen gelungen ist, eine Verbindung herzustellen, aber es kann natürlich auch s…“
„Was?“
„Kss!“
„Was Kss?“
„Meine Güte“, stöhnte Jole. „Er versucht, zuzuhören.“
„Aber es sagt doch niemand …“ Kentubs Blick fiel auf die blinkenden Tentakel des Fremden, den er vor sich sah, und er verstummte, und errötete sogar ein wenig. „Oh. Entschuldigung.“ Eine Weile stand er nur stumm da, dann murmelte er schließlich, eher in Jeannes Richtung: „Kann es mir vielleicht jemand übersetzen?“
„Sie sagen, dass wir … suchen müssen“, sagte Banja. „Oder vielleicht auch graben? Also, ich denke, sie meinen, dass hinter dem Eis das ist, was wir suchen. Das heißt, wir müssen das irgendwie wegbekommen.“
„Sagen sie auch, wie weit hinter dem Eis es ist? Reden wir über zwei Meter dickes Eis, oder zweihundert Meter, oder fünfzig Kilometer?“
„Das ist so die Art Detail, die sie nicht gut vermitteln. Ich bin nicht mal sicher, ob sie in solchen Kategorien denken.“
„Wenn sie es bisher nicht tun, sollten sie vielleicht damit anfangen. Sie sind doch diejenigen, die wollen, dass wir uns da durch bohren! Weißt du wenigstens, warum?“
Banja zuckte die Schultern.
„Ich bin nicht die Fremden-Beschwerdestelle. Wenn dir nicht passt, wie sie sind, klär das gerne direkt mit ihnen.“
Kentub schaute zu Boden, atmete einmal durch, schaute wieder zu Banja auf und sagte: „Ging mir gar nicht so sehr um die Beschwerde an sich. Ich möchte einfach nur verstehen, was überhaupt los ist, bevor ich … ein paar? Einen Großteil? Alle? Unsere Ressourcen darin investiere, mich durch eine unbekannte Strecke Eis zu bohren, ohne auch nur zu wissen, wo wir überhaupt hin wollen. Ist das so abwegig?“
Banja schaffte es beinahe, nicht die Augen zu verdrehen.
„Gar nicht abwegig“, sagte er. „Aber ich verweise auf meine letzte Bemerkung: Ich. Kanns. Nicht. Ändern.“
„Ja, aber …“
„Psch!“
„Ich kann …“
„NICHT die Beschwerdestelle!“
„Ich kann sie doch gar nicht selbst …“
„Ändert nichts!“
Jole stöhnte: „Lass ihn doch einfach.“
„Wie soll ich denn …“, begann Kentub.
„Keine Ahnung!“, unterbrach ihn Banja.
„Und …“
„Kentub! Ich will auch, dass es allen gut geht. Ich will auch, dass die Siedlungen gut laufen. Ich will auch verstehen, was die Fremden wollen, und ob wir das auch wollen sollten, und überhaupt alles. Wenn ich es wüsste, würde ich es machen, oder dir sagen, damit du es machen kannst, oder halt alles, was ich kann, aber hör mir zu, sprich mir nach, schreibs dir auf, sag es mit mir: Ich! Kanns! Nicht! Ändern!“
Kentub schnaubte, schaffte es nicht mal ansatzweise, nicht die Augen zu verdrehen, und zuckte die Schultern.
„Vielleicht schafft Jeanne es ja“, sagte er, und zeigte in Richtung der Maschine. „Das Blinken da heißt doch, dass sie gerade mit ihnen redet, oder?“
Banja folgte der Geste seines Vaters und beobachtete Jeannes Lichter für einige Sekunden, bevor er antwortete:
„Stimmt, tut sie. Hätte ihr gar nicht zugetraut, dass sie sich so gut … anpassen kann.“
„Jeanne ist voller Überraschungen, das müsstest du doch wissen.“
„Ich kenn sie halt nicht so als Quelle von positiven.“
„Wir hoffen jetzt einfach beide zusammen, dass sich das ab genau jetzt ändert.“
Banja seufzte.
„Ja, hoffen wir das.“
„Unter den nicht auszuschließenden Unsicherheiten bei Verständigungsversuchen mit den Fremden bin ich zu der Einschätzung gelangt, dass sie gehofft hatten, die Staaten der einheimischen Lebewesen infiltrieren und beherrschen zu können, wie es mit Psmith, Banja und Marchant getan haben, dass ihnen dies aber noch nicht gelungen ist“, sagte Jeanne. „Unter der Annahme, dass das durch die Fremden vorgegebene Ziel auch für uns erstrebenswert ist, sollten wir damit versuchen, eine Verständigung mit den Staaten zu erreichen, um sie dazu zu bewegen, mit uns durch das Eis zu graben.“
„Hm“, machte Kentub, mehr skeptisch und unzufrieden als nachdenklich. „Wenn schon die Fremden es nicht schaffen … Ist es dann nicht einfacher, dass wir einfach selbst durchgraben, oder bohren? Und sollte das nicht für die Fremden mit ihrer abgefahrenen Technologie noch mal viel leichter sein? Banja, kannst du nicht einfach … Ich weiß nicht, in die Hände klatschen, die Hacken zusammenschlagen und dann mit Laser aus deinen Augen den Weg freischmelzen?“
Banja verzichtete auf jegliche Genervtheit, weil er wusste, dass sein Vater nicht anders konnte. Außerdem genoss er die Gelegenheit, stolz auf sich zu sein.
„Tut mir leid“, sagte er. „Das kann ich nicht. Meine Superkräfte sind streng limitiert und mehr für kleine Aufgaben geeignet, wie Selbstschutz, oder Zimmer aufräumen. Für größere Infrastrukturprojekte bin ich nicht gedacht.“
„Hm“, machte Kentub noch mal. „Die Stoßrichtung meiner Frage bleibt unverändert.“
„Naja, überleg mal“, sagte Banja. „Wir sind schon völlig ausgelastet damit, für uns selbst eine bewohnbare Umgebung zu erschaffen und uns zu ernähren. Wenn wir außerdem noch einen riesigen Tunnel graben, dauert das unter Umständen Jahre. Die Termiten haben Millionen von Arbeiterinnen, deren Kernaufgabe genau das ist, was wir brauchen: Tunnel graben. Es liegt schon nahe, diese Chance zu nutzen, auch wenns ein bisschen Mühe kostet, sich zu verständigen, aber da kommen wir sowieso früher oder später nicht drumherum.“
Kentub machte ein drittes Mal: „Hm“, und fuhr fort: „Das beantwortet nicht meine Frage, warum die Fremden nicht einfach selbst den Tunnel graben, wenns ihnen so wichtig ist. Oder uns zumindest die Werkzeuge dafür geben.“
„Das Schiff, das du wahrnimmst, ist eine Simulation“, antwortete Banja. „Es war kurz in der Nähe von Last Hope, um Psmith und mich abzuliefern, aber es ist nicht geblieben.“
„Oh“, sagte Kentub zur Abwechslung.
„Die Fremden sind auf der Flucht“, sagte Banja.
„Wie kommunizieren sie denn immer noch mit uns? Lichtgeschwindigkeit ist für die doch auch immer noch eine Grenze, oder hab ich was falsch verstanden?“
Banja nickte.
„Das stimmt schon. Die Fremden sind wir los“, sagte er, „Aber der Fremde ist geblieben.“
„Clever“, sagte Jole.
„Hm.“
Kentub schaute sich vage unzufrieden um.
„Naja. Zumindest ist die Simulation schön warm.“ Er seufzte. „Warum ist Nimue eigentlich nicht hier?“
„Sie wollten Nimue auch holen“, antwortete Banja, „Aber Jole und ich haben uns darüber kurz unterhalten und fanden dann, das dauert zu lange, deswegen haben wirs ihnen ausgeredet.“
„Sehr vernünftig.“
„Ich war dafür, deshalb dich nicht zu holen“, sagte Jole, „aber Jeanne meinte, du bist aus ihrer Perspektive immer noch der Kapitän.“
„Danke, Jeanne. Aber wisst ihr, was ich mich gerade frage: Warum waren denn alle anderen schon vor mir hier und konnten Meinungen darüber austauschen, ob ich dabei sein darf, wenn ich doch immer noch der Kapitän bin?“
Banja und Jole sahen einander an. Sahen Kentub an. Sahen einander an. Sahen Kentub an.
Kentub schaute ein paar Sekunden lang zurück, seufzte dann, zuckte die Schultern, verdrehte die Augen und wechselte das Thema: „Und was macht sie eigentlich hier?“, fragte er, auf die Ureinwohnerin Last Hopes zeigend. „Die kann doch nicht mal verstehen, was wir sagen, geschweige denn mitreden, oder?“
Jole zuckte die Schultern.
„Hab ich auch nicht verstanden“, sagte xier. „Ich glaube, xier ist vor allem symbolisch, für uns.“
„War sie auch schon vor mir da? Schon gut, antwortet nicht, ich glaube, ich wills gar nicht wissen. Lasst uns über was Anderes reden. Zum Beispiel über die vielen Ideen, die die Fremden und ihr sicherlich dafür haben, wie wir die Termiten dazu kriegen, für uns einen Tunnel zu graben. Haben wir Möhren, Jeanne, wie ist das?“
„Nach meiner Kenntnis befinden sich derzeit rund 15kg Möhren in unseren Vorräten, außerdem rund 2,5kg Möhrensaat, allerdings keinen Grund zu der Annahme, dass sie geeignet wären, die Ureinwohner*innen von Last Hope zu beeinflussen.“
„Danke“, sagte Kentub. „Genau darauf wollte ich hinaus.“ Er sagte zu Banja: „Ich weiß nie, ob sie mich verschaukelt, oder einfach nur so ihr Ding macht. Und ich trau mich nicht zu fragen, weil ich die Magie nicht riskieren will.“
„Aber der Ansatz ist gar nicht so schlecht“, sagte Jole. „Wenn wir irgendwas, was die Termiten wollen … im Eis verstecken, oder ihnen dafür geben, dass sie für uns graben, oder irgendwie … Kommunizieren die auch mit Pheromonen wie irdische? Können wir vielleicht direkt die Pheromone erzeugen? Banja, glaubst du, dabei kann der Fremde uns helfen, falls unsere Mittel nicht ausreichen?“
„Kann schon sein. Ich kann auch nicht vorhersagen, wie sie auf eine gegebene Situation reagieren. Aber ich kanns versuchen.“
„Hat es Sinn, dass Jeanne es auch versucht? Mit dir zusammen, oder alternativ, oder so?“
„Ich glaube nicht. Aber es kann auch nicht schaden, denke ich.“
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„Warum hab ich das gewusst?“, stöhnte Kentub.
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Nimue hob eine Augenbraue. Sie biss auf ihre Unterlippe. Sie schob die Zunge in den Mundwinkel. Sie blinzelte. Sie zog die Brauen und kniff die Lippen zusammen.
„Lass mich das mal zusammenfassen. Die Fremden haben dir gesagt, dass irgendwas – und zumindest weiß du nicht, was es ist, wirklich gar nicht, wirklich überhaupt gar nicht – im Eis versteckt ist, das wir für sie finden sollen, und dafür brauchen sie deine Hilfe, und weil sie dir das gesagt haben – ohne auch nur ungefähr anzudeuten, worum es überhaupt geht, ohne irgendeine Gegenleistung zu versprechen, ohne zu erklären, warum sie das wollen – stehst du jetzt hier und bittest mich – ohne auch nur ungefähr anzudeuten, worum es geht, ohne mir irgendeine Gegenleistung zu versprechen, ohne zu erklären, warum du das überhaupt willst – um Hilfe? Und … du glaubst, das ist der richtige Ansatz, um … was zu erreichen?“
„Meinst du nicht auch, dass das Gespräch besser funktioniert, wenn wir nicht versuchen, einander zu dominieren und zu gewinnen, sondern einfach an einer gemeinsamen Lösung arbeiten?“
„Doch, ich glaub auch, dass du diesen herablassenden Dreck dringend lassen solltest, weil das Gespräch sonst gleich ganz schnell vorbei ist. Und wehe, du seufzt jetzt gleich so leidend und tust dann so bemüht vernünftig.“
Kentub atmete ein – hielt ganz vorsichtig den Atem an und atmete bedacht entspannt aus. Er nickte.
„Schon gut. Ich reiß mich zusammen. Ich fands auch komisch. Ich hab a-“
„Und warum bin ich eigentlich nicht dabei, wenn ihr über solche Sachen redet? Ich führe eine Siedlung, genau wie du. Warum laden die dich ein, aber mich nicht, hm?“
„Du wirst lachen, aber das hab ich auch gefragt.“
„Ich kann mir richtig vorstellen, wie du angekündigt hast, so lange die Luft anzuhalten, bis sie mich auch dazu holen, aber wahrscheinlich hat Jeanne dich dann mit ihren dummen Gewehren bedroht, war’s ungefähr so?`“
„Ungefähr.“
„Okay. Und nächstes Mal setzt du aber durch, dass ich auch teilnehme, ansonsten könnt ihr bei der Umsetzung auch ohne mich auskommen. Klar?“
„Klar.“
„Gut.“
„Darf ich jetzt einmal seufzen, bevor es weitergeht?“
„Aber nur kurz.“
„Danke.“
„Also, jetzt noch mal: Was habt ihr mit dem Bioreaktor und Bezizel vor?“
Lesegruppenfragen, falls hier doch noch mal jemand vorbeischaut
- Ist Kentub euch sympathisch? Warum oder warum nicht?
- Haltet ihr die Expedition für eine gute Idee?
- Ist Nimue euch sympathisch?