10. Türchen: die böse Frau unter dem Bett


Na gut. So richtig doll ist das heute nicht geworden. Aber ich hatte auch … naja, hier beliebige Ausrede einfügen, ist ja egal. Es geht ja auch mehr ums Prinzip. Hm.

Viel Spaß!

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die böse Frau unter dem Bett

„Papa! Papa! Bitte, komm schnell, Papa!“

„Hä? Wie…? Alle…“

Peter tastete nach dem Schalter seiner Nachttischlampe, setzte sich in seinem Bett auf, erinnerte sich nach einem kurzen Blick neben sich daran, dass seine Frau nicht zu Hause war. Er atmete tief durch und legte all die rücksichtslose Autorität in seine Stimme, die ihn bei seinen Angestellten so unbeliebt machte.

„Was – ist?“

„Bitte, Papa, komm her!“

Er stand auf, dachte kurz darüber nach seine Hausschuhe zu suchen, entschied sich dagegen und stapfte in Richtung des Schlafzimmers seines Sohnes. Er schlug auf die Klinke und stieß die Tür auf.

„Was willst du? Es ist mitten in der Nacht!“

Peter hatte den Eindruck, dass es seltsam kalt war in dem Zimmer.

Wesley starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Anscheinend sah er noch viel zorniger aus als er tatsächlich war. Er beschloss ein bisschen väterlicher zu sein und rang sich ein gequältes Lächeln ab.

„Na sag schon, was gibt’s? Fühlst du dich nicht gut?“

„Papa, ich… Ich… Da, unter meinem… Unter meinem Bett ist eine böse Frau.“

Wesley starrte auf seine Zehen, die unter der Decke hervorlugten.

„Das… ist nicht dein Ernst. Das ist nicht dein Ernst!“

Peter bemühte sich nicht lauter zu werden als unbedingt nötig. Aber das war schwer. Er hatte morgen einen wichtigen Termin.

„Wes, du bist zehn Jahre alt, du bist doch kein Säugling mehr, verdammt! Steh eben auf und sieh nach, dann siehst du selbst, dass da kein Monster unter deinem Bett ist. Das kann doch wohl unmöglich dein Ernst sein!“

„Papa… Ich… Ich kann nicht.“

In Wesleys Augen glänzten Tränen.

„Fang nicht an zu heulen, ja! Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, ich hasse das!“

Unwillkürlich drehte Peter sich um und musterte kurz den dunklen Flur hinter sich. Für einen Moment hatte er das Gefühl gehabt, dass ihn jemand ansah.

„Es tut mir leid, Papa, aber ich bin mir so sicher… Ich weiß, dass da eine böse Frau ist.“

„Jetzt stell dich nicht so blöd an! Willst du jetzt, dass dein Papi unter deinem Bett nach Monstern sucht, ja? Willst du das? Sind wir jetzt so weit?“

War da eben ein Luftzug an seinem Hals gewesen? Alle Fenster waren geschlossen, es war Winter…

„Ja, Papa, bitte. Tut mir leid, ich… bin mir nur so sicher…“

Peter stöhnte, ging zum Bett seines Sohnes (Er zögerte einen Moment, bevor er den ersten Fuß vor das Bett setzte. Der Gedanke daran gefiel ihm nicht. Man kommt auf seltsame Ideen, wenn man mitten in der Nacht geweckt wird… Er dachte darüber nach, nicht so streng mit seinem Sohn zu sein.) und setzte sich auf die Bettkante.

„Was ist? Sag schon, warum glaubst du, dass ein Monster unter deinem Bett ist?“

„Sag das nicht so, Papa, ich weiß, dass es keine Monster gibt. Da ist eine böse Frau, und das… Das weiß ich einfach.“

„Eine… eine böse Frau?“

Zum ersten Mal bemerkte Peter, wie ungewöhnlich die Angst seines Sohnes war. Er hatte vom schwarzen Mann gehört, von Piraten im Schrank, von Schwarzen Dämonen und der Sohn eines Freundes von ihm fürchtete sich vor einem Ungeheuer im Fernseher. Aber wer hatte denn Angst vor Frauen unterm Bett?

„Ja. Sie ist da, ganz bestimmt.“

Jetzt begann auch Peter selbst sich ein bisschen zu sorgen. Vielleicht war es eine Einbrecherin, die seinen Sohn versehentlich geweckt hatte… Er fragte sich, ob es nicht besser wäre nicht nachzusehen. Er hatte eine Waffe in seiner Nachttischschublade.

Aber wie sollte eine Einbrecherin hier reingekommen sein? Und was hatte sie im Kinderschlafzimmer zu suchen? Außerdem: Es hatte bestimmt fünf Minuten gedauert, bis er hier gewesen war. Ein Einbrecher mit einem Fünkchen Verstand wäre in dieser Zeit schon längst verschwunden gewesen.

„Also pass auf, ich sehe jetzt unter dein Bett. Aber wenn so was noch einmal vorkommt, ziehe ich dir meine Arbeitszeit von deinem Taschengeld ab.“

„Klar, Papa.“

Wesley grinste ihn an.

Peter stand also auf, kniete neben dem Bett nieder – und zögerte. Er gestand es sich nur ungern ein, aber er wollte nicht nachsehen. Was er sich noch weniger gerne eingestand, war: Er war sich völlig sicher, dass da keine Einbrecherin sein konnte, und er wollte trotzdem nicht nachsehen. Irgendetwas war hier nicht so, wie es sein sollte, und sogar ein Klotz wie Peter konnte das spüren.

„Ich sehe also jetzt nach…“

Unter Aufbietung all seiner beträchtlichen Willenskraft beugte er sich vor und sah nach, ob sich unter dem Bett seines Sohnes ein Monster versteckte.

Peter blickte in die leuchtend grünen Augen der bösen Frau, eine Ewigkeit lang, wie es ihm schien.

Unter dem Bett seines Sohnes lag tatsächlich eine junge Frau in einem fleckigen Staubmantel. Sie grinste, zwinkerte ihm zu, legte einen Finger auf ihre Lippen und führte ihn dann langsam an die seinen.

Langsam richtete Peter sich wieder auf.

„Bist du jetzt zufrieden, oder soll ich im Wandschrank auch noch mal nachsehen?“

Was sagte er denn da? Da war wirklich jemand unter diesem Bett, sein Sohn hatte recht gehabt, er musste etwas unternehmen!

„Ist… Ist da wirklich nichts, Papa?“

„Natürlich ist da nichts, was glaubst du denn?“

Er hatte die Frau gesehen. Und er hatte gesehen, dass sie böse war. Gesunde Menschen konnten nicht so grinsen! Er wollte schreien, aber alles, was er hervorbrachte, war:

„Also dann, schlaf jetzt. Und denk dran, das nächste Mal berechne ich dir!“

Er fühlte, wie seine Lippen sich zu dem gleichen Grinsen formte, das er vorhin unter dem Bett seines Sohnes gesehen hatte.

„Gute Nacht, Papa.“

Peter ging durch den dunklen Flur (Jeder Schatten ließ ihn erschaudern, in jeder dunklen Ecke meinte er andere Fremde zu erkennen.) zurück in sein Schlafzimmer, legte sich in sein Bett (Da war ein Telefon auf seinem Nachttisch, nicht mal eine Armlänge entfernt. Er wollte…) und schlief ein.

Er konnte nicht sehen, wie aus dem Spiegel über seinem Bett das Gesicht seines ehemaligen Angestellten Bill Rezno auf ihn herabstarrte, erfüllt von in Jahren aufgestautem Hass und grausamer Vorfreude.

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6 Kommentare zu “10. Türchen: die böse Frau unter dem Bett

  1. Uff. Wie gut, dass du damit nicht wieder so lange gewartet hast. So kurz vorm Schlafen wäre das nix für mich gewesen.
    (Namu?)

  2. Ich schließe mich guinan an und bin froh, daß ich es auch noch relativ früh geschafft habe *schauder*. Aber ich fand sie schön. Ich mochte die Geste der Frau.

  3. „Nicht so richtig doll“ ist gut. Ich beneide gerade die beiden anderen, die früher dran waren. Hat was Stephen-King-mäßiges (ich hoffe, du fasst das als Kompliment auf, ich meine das durchaus positiv. Sehr geschlossen und gruselig.)

  4. Das ist zwar ein sehr ungewöhnlicher Vater, der seelenruhig schlafen geht, während sein Sohn……..aber es scheint sich hier wohl auch mehr um Science fiktion zu handeln…. wenn ich das so recht überblicke….. was mit dem realen Leben wenig zu tun hat. Gruselig finde ich es nicht, also ich könnte die Geschichte zu jeder Tages- oder Nachtzeit lesen, weil ich glaube zwar an einen Gott, dafür aber weniger an real existierende seltsame Gestalten mit leuchtend grünen Augen oder ähnliches, vor denen ich mich fürchten müßte oder die mir Angst einjagen könnten. Aber ich fand z. B. die Gedanken des Vaters gut beschrieben, ob er unterm Bett nachsehen sollte oder nicht….wegen Einbrecher und so. Ich habe mich das auch schon mal gefragt, wie man sich in solchem Falle wohl am Besten verhalten sollte, wenn man Nachts plötzlich Geräusche im Hause hören sollte – nachsehen und riskieren abgestochen zu werden o. ä. – oder sich lieber still verhalten und schlafend stellen und die Wohnung ausräumen lassen? Polizei anrufen wäre eine Möglichkeit…..aber Reden macht auch schon wieder Geräusche. Also wie gesagt, die Gedanken des Vaters finde ich ganz gut beschrieben und nachvollziehbar. Du mußt dein Licht also nicht unter den Scheffel stellen. 😉

  5. Christina, vielleicht hast du das übersehen, aber ich entnehme dem Text, daß der Vater unter einer Art Beherrschung steht, nachdem er in das Gesicht der Frau gesehen hat. Eigentlich fand ich das ziemlich deutlich…

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