So, heute habe ich die Möglichkeit der Prokrastination wirklich mal bis zum Rand ausgeschöpft. Aber man will ja auch unberechenbar bleiben.
Viel Spaß mit dem 6. Türchen!
Sankt Nicolaus
„Ho, ho, ho, froooohe – verflixt!“
Hustend und sich lautstark räuspernd stolperte Sankt Nicolaus aus dem riesigen Kamin der Weltons.
Er betrachtete mit tiefen Furchen in der Stirn die Rußflecken auf seinem roten Mantel und – unfassbares Sakrileg – den weißen Aufschlägen an Ärmeln und Kragen.
Missmutig klopfte und rieb er daran herum, aber damit erreichte er nicht mehr, als die Asche gleichmäßiger und tiefer im Pelz zu verreiben.
Einige Sekunden starrte Sankt Nicolaus entrüstet auf den Schaden, bevor er sich schließlich mit einem Zungenschnalzen und einem heftigen Kopfschütteln abwandte und – innehielt.
Er schaute nach links und schaute nach rechts in dem nur von der Weihnachtsbeleuchtung in Fenstern und Wandnischen erhellten Raum, unterdrückte seinen Hustenreiz so gut er konnte, und schlich – so gut das in seinen schweren Stiefeln möglich war – auf Zehenspitzen auf den Tisch vor dem Kamin zu.
Mit einem wohlwollenden Brummen hob er den Cognacschwenker und hielt die karamellfarbene Flüssigkeit vor einen der Weihnachtssterne, um das Licht hindurch fallen zu sehen, bevor er es mit einer entschlossenen Bewegung leerte und zufrieden seufzend auf das Tischen zurück stellte.
Gedankenverloren brach er ein Stück von dem Plumpudding ab, schob es sich in den Mund und hob mit der freien Hand den Brief daneben auf.
„Hm“, machte er nachdenklich, während er die in kindlicher Handschrift verfasste Botschaft entzifferte.
Lieber Weihnachtsmann,
Ich bin John, aber alle nennen mich Jay, weil Papa auch so heißt. Ich weiß nicht, wie ich bei dir in der Liste stehe, aber ich war lieb. Ehrlich. Das ganze Jahr war ich brav. Ich hab immer mein Gemüse aufgegessen, bis auf den Rosenkohl, aber das hat Mama mir erlaubt. Und ich hab Dora geholfen, das Wespennest vom Dachboden wegzumachen, und nur ein bisschen geweint, als mich eine gestochen hat. Ich war also brav, deshalb bring mir doch bitte die Computerbrille, die Papa mir nicht kaufen will.
Mein Bruder Dave will einen Segway, aber der war gar nicht brav. Wusstest du, dass er den Strohhaufen im Stall angezündet hat? Das weiß keiner, weil ich keine Petze bin, aber wenn du deine Rute dabei hast, solltest du das vielleicht wissen.
Denk bitte an die Computerbrille. Ich warte da schon soooo lange drauf!
Dein John Welton
Sankt Nicolaus schnalzte mit der Zunge und schüttelte versonnen den Kopf.
Kinder heute, dachte er. Früher wollten sie Holzpferdchen, oder einen Schlitten, oder einen Hund. Heute ging es immer um Computerspielzeug, oder Flugzeuge, oder Laserpistolen.
Der Wandel der Zeiten.
Aber er hatte keine Zeit zum Philosophieren. Nicolaus hatte heute noch viele Kinder zu besuchen, und nur eine Nacht für alle.
So leise er mit seinen Stiefeln konnte, schlich er aus dem Kaminzimmer, die Treppe hinauf und den Flur entlang bis zu Daves Tür. Er hinterließ unübersehbare Spuren aus Schlamm und Asche im tiefen Flor des unverschämt teuren roten Teppichbodens. Kaum hörbar, halb unbewusst, summte er ein sehr altes Weihnachtslied vor sich hin, das heute niemand mehr kannte, und griff nach dem Türknauf.
Während draußen vor der Mauer um das Grundstück mit leisem Ticken und Plingen der Motor des alten Volvos abkühlte, den er für seinen Schlitten hielt, fasste Sankt Nicolaus das Messer in seiner Hand noch etwas fester und öffnete die Tür.
Hachz, wie besinnlich.
Ich mag die Details! Und natürlich den Plot Twist.
Also weste, nee…..zwar ein bißchen klischeehaft……aber hat alles so schön angefangen…..ich war schon voll des Lobes……und dann……also nee……
Ja, das ist ein grossartiger Twist.
Ich fand den Twist gar nicht so besonders.
Aber danke euch allen.
Vielleicht nicht so übermäßig besonders, aber immer wieder wirkungsvoll. *schauder*