Wir kehren zurück ins Fantasy-Genre, diesmal mit einem etwas kürzeren Beitrag als hinter dem ersten Türchen. Viel Vergnügen.
(Und keine Sorge. Ich habe die anderen Wünsche nicht vergessen. Wir machen das hier, wie man Klöße isst. Jeden Tag einen. Also. Ihr wisst schon.)
Der ganze Kampf war zu schnell verlaufen für das menschliche Auge. Aber jeder konnte deutlich sehen, wie der abgetrennte Kopf des großen Helden nach dem letzten Schlag durch die Luft wirbelte und schließlich einige Schritte von seinem Körper entfernt zu Boden fiel.
Ein Aufschrei ging zunächst durch die Verteidiger Calleins, dann durch die Reihen der Blutsäufer.
Dann brach die Hölle los. Unter wildem Gejohle stürmten die Blutsäufer auf ihre Gegner zu. Die Witwe setzte sich in Bewegung, ihre acht baumartigen Beine schoben sich über das Schlachtfeld, ohne darauf zu achten, ob sie Freund oder Feind unter sich zermalmten.
Narm selbst stand einige Augenblicke stumm und reglos da, bevor er die Axt des Toten Mannes hob oder von ihr gehoben wurde und vor seinen Männern in die Schlacht stürmte.
Kara war wohl die einzige auf dem gesamten Feld (neben Morgan und der Witwe natürlich), die nicht schrie.
Sie konnte nicht. Sie war sprachlos. Fassungslos. Der enthauptete Körper des großen Helden stand noch einige Sekunden da, dann fiel er vornüber um wie ein gefällter Baum. Morgans Kopf lag abgetrennt im Gras. Er war tot.
„Nein“, hauchte sie, und dann wurde es schon Zeit, dass sie sich dem Kampf zuwandte. Wie eine Meute wilder Tiere stürmten die Blutsäufer kreischend und johlend auf sie zu. Über allem ragte wie ein wandelnder Turm diese entsetzliche Riesenspinne auf.
„Nein“, flüsterte Kara noch einmal, dann zog sie ihr eigenes Schwert. Natürlich ein Geschenk von Morgan.
Sie sah wie durch einen Schleier, kämpfte wie in Trance, führte die eingeübten Bewegungen aus, schlug sich durch, in Richtung von Morgans Leiche. Sie wusste nicht, warum es sie in diese Richtung zog. Sie wusste vielleicht nicht einmal genau, dass es so war. Sie erschlug drei Blutsäufer und handelte sich eine tiefe Wunde im rechten Oberschenkel ein, bevor sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah.
Es war eines dieser scheußlichen haarigen baumdicken Beine, das viel zu schnell auf sie zukam. Sie versuchte auszuweichen. Sie spürte einen dumpfen Schlag gegen ihren Rücken.
Als sie wieder zu sich kam, war der Schlachtenlärm nur noch leise aus der Entfernung zu hören. Sie sah die Toten um sich herum. Sie versuchte aufzustehen, doch sie konnte nicht. Sie spürte ihre Beine nicht mehr. Sie spürte die gesamte untere Hälfte ihres Körpers nicht mehr.
Sie wusste nicht, was sie antrieb, und sie wusste eigentlich noch immer nicht, wohin sie wollte, aber sie kroch weiter. Sie zog sich mit ihren Händen über das Feld und über tote Männer und Frauen, klammerte sich an ihre Schwertgürtel, an Büsche oder Grassoden oder an Arme, um sich voran zu ziehen, bis sie ihn schließlich erreichte.
Kara wusste nicht, wie lang es gedauert hatte, aber nun war es so weit. Sie blickte in Morgans gebrochene blaue Augen. Vor ihr im Gras lag sein abgeschlagener Kopf in einer Lache halb geronnenen Blutes.
Sein Gesicht trug einen Ausdruck verwirrter Überraschung, fast so, wie er sie manchmal angesehen hatte, wenn sie eine Aufgabe außergewöhnlich gut erfüllt hatte.
Sie blickte in die blicklosen Augen ihres Mentors. Ihres besten Freundes. Des Mörders ihrer Eltern. Des größten Menschen, den sie je gekannt hatte. Des berühmten Helden. Des unmenschlichen Raubtiers. Eines Mannes, zu dem sie aufgesehen hatte. Der so charmant gewesen war, wenn er von seinen früheren Abenteuern erzählt hatte. Der sie manchmal mit einem Augenzwinkern zum Lachen gebracht hatte. Der unschuldige junge Menschen aus Blutgier zerrissen hatte.
Karas Gesicht war eine verzerrte Maske der Gram. Sie weinte. Sie schluchzte. Sie heulte in Zorn und Verzweiflung. Dann beruhigte sie sich wieder und betrachtete den Kopf und die Blutlache. Sie fror und war müde, und sie erinnerte sich an die tiefe Wunde in ihrem Oberschenkel, die sie nicht spüren konnte.
„Es darf jetzt nicht enden“, flüsterte sie. „Nicht so, Morgan. Nicht so.“
Ihre Augen waren so fest geschlossen, dass ihre Gesichtsmuskeln zitterten, und ihr Atem ging stoßweise, während sie die Zungenspitze aus dem Mund streckte und sie langsam in das kalte, halb geronnene Blut tauchte.
Bluuuut… äh, ich meinte, sehr stimmungsvoll.
Der Mörder ihrer Eltern ihr bester Freund? Hmmm…. das bedarf einer Erklärung……
Aber… aber… Kara? Morgan?! Kara! Morgan!
… aber doch… nicht so! Nicht so!
Ich gestehe, ich hänge immer noch an Tür 1.
@Joan: Danke sehr!
@Christina: Ich fürchte, was die Erklärungen angeht, wirst du hier noch sehr oft auf dem Trockenen sitzen.
@madove: Deine Sorge rührt mich.
@quadratmeter: Das ist okay. Ich mag 1 auch, und am Ende wird ja abgestimmt.
@ Muriel: Na ja….da fällt mir ein…..wie heißt dieses Syndrom noch mal…..war das nicht das Stockholm-Syndrom?…..hätte mir auch eher einfallen können. 😉
@Christina: Stockholm-Syndrom ist diese Krankheit, bei der man anfängt, seine Feinde zu lieben, oder?
Oder Moment mal……bringe ich da jetzt was durcheinander?…… waren das überhaupt Täter und Opfer?……..na ja ….ist ja auch egal. 🙂
@ Muriel: Na ja….bißchen was anderes wie „Liebe“ ist das schon doch noch, denke ich mal: http://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom
@christina:
Also für mich klingt das logisch.
@ Triffels: In ein paar Jahren siehst du das sicher anders. 🙂
Ah, Gefallen. Starke Szene.
@Guinan: Danke!
@Triffels: Lass dir nichts einreden.
‚Trance‘ statt ‚Tance‘?
@ Fabian: Deine verschiedenen Namen bringen mich ganz durcheinander…..weiter oben habe ich „Muriel“ geschrieben…..stelle ich grad fest. Bekannte Leser wird das sicher nicht irritieren….neue bzw. bisher fremde vielleicht schon…. na ja.
Was meinst du mit „Lass dir nichts einreden.“? Hast du auch so ein schlechtes Verhältnis wie Triffels zu deinen Eltern, oder wie soll ich das jetzt einordnen? Triffels Bemerkung halte ich ja für „Pubertätsgerede“, aber du solltest doch schon jenseits dieser Phase sein, oder? 😉
@Sylkuro: Danke, hatte ich sogar selbst schon gesehen, dann aber wieder vergessen.
@Christina: Ich weiß ja, was du meinst.
Zu Triffels: Ich neige dazu, die Äußerungen von Leuten nicht herabzuwürdigen, etwa als „Pubertätsgerede“ oder mit Bemerkungen wie „In ein paar Jahren siehst du das sicher anders“, wenn ich nicht die Spur einer Ahnung habe, wie es in ihrem Leben aussieht.
@ Fabian: Na ja, Eltern den Tod an den Hals zu wünschen, weil sie einem ab und an das Internet verbieten oder Bücher zu lesen……..halte ich nun doch ….. du wirst verzeihen……für keinen triftigen Grund.
@Christina: Ach. Ja. Ich könnts jetzt noch mal mit anderen Worten wiederholen, aber das schenke ich uns einfach mal, unter anderem auf Basis der Annahme, dass es Triffels relativ egal ist und die Zeit, dich zu erziehen, mutmaßlich vorbei.
Mach, wie du willst.
@ Fabian: Na dann hoffe ich mal, dass die Zeit bei Dir und Triffels dafür noch nicht vorbei ist…..
@ Fabian: Sorry, mein letzter Kommentar sollte jetzt nicht so aggressiv rüberkommen, deshalb noch mal neu: @Triffels Bemerkung: Heinrich Heine hat mal gesagt (ich zitiere jetzt absichtlich nicht die Bibel): „Der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner.“
Jede böse Tat hatte im Vorfeld böse Gedanken……..
@Christina: Kettcar hat mal gesungen: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“
Eltern machen gewiß Fehler. Ohne Frage. Aber, es ist trotzdem nicht zu leugnen, dass sie auch unzählige Dinge gut machen, die ein Kind (weil ihm der nötige Weitblick oder sagen wir Weisheit noch fehlt), erstmal nicht einsehen will und vielleicht sogar wütend deswegen ist. Ich denke nur mal an die allabendliche Prozedur des Zubettgehens bei Kleinkindern. „Warum muß ich ins Bett und meine Eltern dürfen noch aufbleiben?“ Das ist doch wirklich sowas von gemein, nicht wahr? Kennen wir doch alle! Deswegen würde ich diesen Zorn jetzt nicht überbewerten wollen. Mit etwas Abstand und etwas mehr Reife und Weisheit erscheinen einem viele Dinge zu einem späteren Zeitpunkt plötzlich in einem ganz anderen Licht. Das ist es, was ich mit meinem Satz: „In ein paar Jahren siehst du das sicher anders.“ ausdrücken wollte. (Dabei hatte ich Computer- und Internetsucht im Hinterkopf) Und spätestens wenn man eigene Kinder hat, sieht man manche Dinge in Bezug auf die eigenen Eltern sowieso etwas anders als vorher. So, damit beende ich jetzt diese Debatte. Jeder denke darüber wie er will.
@Christina: In ein paar Jahren siehst du das anders.
@christina: Ich halte das für „Altersverwirrtheit“.
@Triffels: Ich liebe dich.
@guinan:
Ich Dich doch auch!
Sehr geistreich ……