von oben (7)


Copaganda oder geht noch? Entscheiden Sie selbst, nachdem Sie das neue Kapitel gelesen haben!

Viel Spaß!

Romy joggte vom Auto zum Eingang des Pflegeheims, damit es wenigstens ein bisschen so aussah, als hätte sie sich beeilt, aber es nützte leider nicht ganz so viel.

„Da sind Sie ja!“, rief der Bewohner, der heute den Empfang besetzte. „Wo waren Sie denn so lange?“

„Tut mir leid, anderer Einsatz noch“, log Romy völlig sorg- und hemmungslos. „Wo muss ich hin?“

„Sind Sie ganz alleine?“ fragte der alte Mann, sichtlich besorgt.

„Ja. Wo muss ich hin?“

„Nur Sie? Keine Männer da?“

„Boah, sagen Sie mir jetzt bitte, wo ich hin muss, bevor ich aus Langeweile anfange, Sie verdachtsunabhängig zu kontrollieren?“

„Was?“

„WO. MUSS. ICH. HIN?“

„Ach so… Sind Sie denn ganz alleine?“

„Wo-“

„Wohnbereich 3, Bianca Hinrichs.“

„Naja danke.“

Sie zögerte kurz zwischen Treppe und Aufzug, entschied sich dann für die Treppe, um weiterhin den Eindruck, getrödelt zu haben, nicht noch unnötig zu verstärken.

Im dritten Stock – boah, warum mussten Treppen so anstrengend sein? – war ihr Ziel immerhin leicht zu finden. Vier Pflegekräfte in ihren Kasocks und eine Ärztin in einem weißen Kittel hatten sich um die verschlossene Tür eines Bewohner*innenzimmers versammelt und eilten natürlich sofort auf Romy zu, als sie ihre Uniform erkannten.

„Das hat aber gedauert!“, rief ein großer hagerer Pfleger.

„Ja meine Güte“, erwiderte Romy, „Das ist halt nicht Hamburg hier, wir haben nicht ununterbrochen 300 Kollegen, die drauf warten, dass jemand anruft.“

„Sind Sie ganz alleine?“, fragte eine Pflegerin mit traurig-besorgter Miene.

„Ja, verdammt, der Räumungspanzer, das MEK und die Tornados, die wir von der Luftwaffe angefordert hatten, sind noch unterwegs. Worum gehts denn, um Gottes Willen?“, fragte Romy, während sie der Gruppe entgegen ging.

„Frau Hinrichs will ihre Haldol nicht nehmen.“

Romy blieb stehen.

„Wollen Sie mich verarschen?“

„Sie hat ein Messer“, sagte die Ärztin.

Romy nickte nachdenklich.

„Na gut.“

Sie deutete mit dem Kopf in Richtung der verschlossenen Tür.

„Da drin?“

Alle nickten.

„Ja, genau“, sagte der hagere Pfleger.

„Ist die Tür abgeschlossen?“

„Wir haben vorsichtshalber zugemacht“, antwortete er.

„Ja gut. Machen Sie mir dann bitte auf? Also, halt. Erst mal noch kurz Fragen beantworten. Wie war denn die Stimmung Ihrer Bewohnerin, als sie abgeschlossen haben? Muss ich damit rechnen, dass sie jetzt sofort rausstürzt, sobald Sie aufmachen?“

„Sind Sie denn sicher, dass Sie da ganz alleine rein wollen“, fragte die traurig-besorgte Pflegerin. „Wollen Sie nicht lieber auf die Männer warten?“

„Ich schrei gleich“, sagte Romy. „Niemand wartet hier auf irgendwelche Männer. Die Polizei ist hier, das bin ich, sehen Sie, hier ist meine Uniform, da, gucken Sie, ich hab sogar den Batgürtel, alles dran, ich bin echt. Und wenn ich das Kommando brauche, fordere ich Unterstützung an, aber ich denk, ich krieg das schon hin, und die nächste Person, die das anzweifelt, kommt bitte gleich mit runter und zeigt mir mal Fahrzeugpapiere, Führerschein und Verbandkasten, und ich guck ganz genau, ob der abgelaufen und das sterile Material noch ordentlich verschweißt ist, ist das klar?“

„Klar“, sagte der hagere Pfleger, eifrig nickend.

„Gut. Also. In welchem Zustand befand sich Ihre Bewohnerin, als sie abschlossen?“

„Aufgebracht, aber … einigermaßen gefasst. Also, sie saß auf ihrem Bett mit dem Messer und hat uns angeschrien und beschimpft. Ich kann Ihnen da nix versprechen, die Alte spinnt“ – Romy verzog ein bisschen das Gesicht, als sie dran dachte, was Lina zu so einem Spruch sagen würde – ‚Na toll, so weit hat sey dich jetzt schon …‘ – „Aber ich schätze, da sitzt sie wahrscheinlich immer noch. Kann natürlich auch sein, dass sie Ihnen direkt neben der Tür auflauert. Können wir ja auch nicht wissen.“

„Wollen Sie nicht doch lieber auf die Männer warten?“

Romy atmete tief ein, hob einen Zeigefinger und zeigte damit auf die Pflegerin.

„Sie“, sagte sie. „Merk ich mir. Sie kommen nachher mit zu Ihrem Auto. Ich mach keine leeren Drohungen. Naja. Selten zumindest. Nicht heute.“

Die Pflegerin ließ Kopf und Schultern hängen und trat beleidigt einen Schritt zurück.

Romy gestand sich ein, dass es wegen der Unsicherheit der Situation vielleicht wirklich vernünftiger gewesen wäre, Verstärkung anzufordern, und dass sie durch ihr eigenes Auftreten sich aber jetzt in eine Lage gebracht hatte, in der sie das nach außen nicht mehr zugeben konnte. Das war Mist. Aber es war jetzt so. Sie würde das schon hinkriegen. Was konnte so eine alte kranke Person ihr schon tun, wenn sie ein bisschen vorsichtig vorging? A propos.

„Wie alt ist Ihre Bewohnerin denn?“

„Frau Hinrichs ist 97.“

Ja gut. Das klang doch machbar.

„Okay, und wie ist ihr Allgemeinzustand?“

Die Ärztin schob die Unterlippe vor und machte eine vage Geste mit der Hand.

„Frau Hinrichs ist für ihr Alter noch recht mobil, aber natürlich nicht ohne die üblichen Verschleißerscheinungen. Arthrose, Skoliose, Ostheoporose, Stuhl- und Blaseninkontinenz, Grauer Star, …“

Romy winkte ab.

„Schon gut, so genau muss ich es nicht wissen. Wie sieht es geistig aus? Ist sie öfter aggressiv, oder ist das ungewöhnlich heute? Gab es einen Anlass?“

„Ich vermute eine leichte Form von Demenz bei ihr, aber nichts Auffälliges. Sie ist eigentlich noch luzide. Aber heute Abend war sie sehr aufgebracht, rief immer wieder irgendein wirres Zeug davon, irgendjemand sei jetzt da oder wäre wiedergekommen oder so. Sie hat versucht, den Wohnbereich und das Gebäude zu verlassen und wurde sehr ungehalten, als die Pflegekräfte sie aufgehalten haben. Die Medikamenteneinnahme hat sie dann verweigert, und irgendwann hat sie das Messer gegriffen. Es ist nur ein kleines Obstmesser, aber wir dachten, wir sollten lieber kein Risiko eingehen. Deswegen haben wir dann angerufen.“

Romy nickte nachdenklich und zuckte die Schultern.

„Ja gut. Dann machen Sie bitte mal die Tür auf, dann sehen wir ja. Aber können bitte alle mal ein bisschen zurücktreten, weiter, weiter, bitte einfach ganz weg alle, ja? Erstens will ich nicht, dass Sie verletzt werden, zweitens brauche ich ein bisschen Raum zum Manövrieren, okay? Noch weiter weg, meine Güte, keine Sorge, Sie verpassen schon nichts, ich erzähl Ihnen hinterher, wie es gelaufen ist, ja? Danke. Danke. Oder wissen Sie was? Geben Sie mir den Schlüssel, ja? Ich mach das.“

Romy fragte sich, ob die Bewohnerin selbst keinen Schlüssel für ihr Zimmer hatte. Und was das über die Haltung dieser Einrichtung zu ihren Bewohner*innen sagte. Aber sie fragte nicht, weil sie das Gefühl hatte, dass sie aktuell jeden Eindruck eingeschränkter Kompetenz vermeiden sollte. Diese Leute machten sich eh schon genug Sorgen, dass sie mit der Situation überfordert sein könnte.

Der hagere Pfleger hielt ihr einen Schlüssel hin.

Romy nahm ihn und ging vorsichtig und langsam auf die Tür zu. Sie wusste selbst nicht, mit welcher Gefahr sie jetzt hier schon rechnete, aber andererseits hatte sie schon genug Quatsch erlebt, um sich nicht auf die Aussage zu verlassen, dass die Tür abgeschlossen sei. Oder auf ihre eigene Deutung, dass die Bewohnerin keinen Schlüssel hatte.

Halb reflexartig überprüfte sie ohne hinzusehen mit der linken Hand, dass ihr EMS, CS-Gas und Dienstwaffe richtig an ihrem Gürtel befestigt und gesichert waren.

Und dann steckte sie den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um, legte die Hand auf die Klinke, drückte sie herunter und zog langsam die Tür auf.

Zu ihrer Erleichterung sah Romy die alte Frau Hinrichs tatsächlich noch auf ihrem Bett sitzen, mit dem Messer in der Hand.

Sie stand umständlich auf, als sie Romy sah, das Messer in der zitternden Hand vor sich ausgestreckt, und tappte in ihren Filzpantoffeln auf sie zu.

„Gehen Sie mir aus dem Weg!“, befahl die Greisin in ihrer dünnen Fistelstimme. „Gehen Sie mir aus dem Weg! Ich muss hier raus. Es fängt schon wieder an! Ich muss hier raus. Gehen Sie weg!“

„Da!“, hörte Romy den Pfleger hinter sich rufen, ärgerlich nah, wenn sie richtig schätzte, aber sie würde den Teufel tun, sich jetzt zu dem Arsch umzudrehen, „Da geht dieses Gefasel schon wieder los. Nehmen Sie ihr das Messer ab, dann sedieren wir sie, dann beruhigt sie sich schon wieder!“

„Ich nehm die Scheißpillen nicht!“, krächzte die alte Frau.

Romy war total erschrocken. Irgendwie passten hohes Alter und vulgäre Sprache in ihrer Vorstellung nicht zusammen.

„Ich muss hier raus. Lassen Sie mich! Los, gehen Sie weg! Gehen Sie weg!“

„Na machen Sie schon!“, feuerte der Pfleger sie an. „Bevor sie noch jemanden verletzt!“

„Ja, ich muss dann auch allmählich weiter“, sagte die Ärztin.

„Oder wollen Sie doch lieber …“

Sie nahm all ihre Selbstbeherrschung zusammen und ignorierte den nur halb ausgesprochenen Vorschlag der verdammten Altenpflegerin.

Romy erinnerte sich, dass sie irgendwann vor Jahren mal mit Lina eine Rezension zu dem Videospiel Heavy Rain gesehen hatte. Das Spiel selbst war ihr gar nicht mehr besonders in Erinnerung, das hatte sie irgendwie nicht interessiert, und Lina hatte es auch nicht so doll gefunden. Aber ein Teil der Rezension war Romy damals sehr tiefsinnig vorgekommen. Sagte wahrscheinlich mehr darüber aus, wie flach sie normalerweise dachte, aber jedenfalls ging es darum, dass es in dem Spiel so wettkampfähnliche Situationen gab, gerade am Anfang, wo man zum Beispiel als Vater mit zwei Kindern Fangen spielte oder irgendsowas. Sie erinnerte sich nicht mehr an die Details, die waren auch egal. Aber jedenfalls ging es darum, dass der Rezensent gesagt hatte, er wäre beim ersten Spielen einfach der üblichen Videospiellogik gefolgt und hätte so gut wie möglich Verstecken gespielt und gewonnen, gegen die beiden Kinder. Und sich dann hinterher gefragt, ob das nicht eigentlich total falsch war, und dann beim zweiten Versuch die Kinder gewinnen lassen, damit sie mehr Spaß haben und es für alle schöner war. Und Romy hatte sich davon sehr angesprochen gefühlt und sich vorgenommen, den Gedanken nicht zu vergessen.

Vielleicht war das hier jetzt so eine Situation, in der sie noch mal über die gewohnte „Ich mach meinen Job so gut wie möglich“-Logik nachdenken sollte – nicht, dass sie ihren Job immer besonders gut machte, so wars auch wieder nicht, aber darum gings ja jetzt gerade nicht – und stattdessen erst mal fragen, was überhaupt ihr Job war, den sie machen sollte.

War es jetzt wirklich ihr Job, diese zerbrechliche alte Frau zu überwältigen, dazu beizutragen, dass sie hier gefangen blieb und sie zu zwingen, ein Medikament zu nehmen, dass sie ganz eindeutig nicht wollte?

„Ich … Ich weiß gar nicht, ob ich das darf?“, sagte sie.

Sie hätte gerne ein bisschen sicherer und überzeugter von sich und ihrer Position geklungen, aber die Wahrheit war, dass sie keine Ahnung hatte, was ihre Position war.

„Was soll das denn jetzt heißen?“, fragte die Ärztin. „Sind Sie jetzt Polizistin oder nicht?“

„Weg!“, keifte die alte Frau. „Aus dem Weg!“

„Jetzt nehmen Sie ihr doch endlich das Messer weg!“, hörte sie den Pfleger sagen.

„Worauf warten Sie denn?“, fragte seine Kollegin, immer noch ängstlich besorgt.

„Haunse endlich ab jetzt! Na los!“

„Wir haben hier auch noch anderes zu tun, wissen Sie? Wir haben Sie ja nicht gezwungen, zu kommen, jetzt machen Sie aber auch Ihre Arbeit!“

Die Stimme kannte sie noch nicht. Eine von den andere Pflegekräften oder jemand Neues? Aber es schien ihr immer noch nicht ratsam, sich umzudrehen. Frau Hinrichs war nur noch knapp zwei Meter von ihr entfernt und zwar stehen geblieben, hielt aber immer noch das Messer ausgestreckt vor sich. Sie hielt es eher wie einen Zauberstab, locker zwischen den Fingern, als wie eine Waffe, aber Romy wusste, dass mit Messern nicht zu spaßen war.

„Ich weiß nicht …“, begann sie wieder, hielt inne und zwang sich, fester und bestimmter zu sprechen. „Warum soll ich das machen? Die Bewohnerin will diese Einrichtung verlassen. Das ist ihr Recht. Sie lehnt das Medikament ab. Das ist ihr Recht. Oder ist sie entmündigt? Steht sie unter Betreuung?“

„Sie hat ein Messer! Sie bedroht Sie jetzt gerade mit einem Messer! Was muss sie denn noch machen?“, fragte die Ärztin.

„Bedroht sie gerade irgendwen außer mir? Und ich meine, mich bedroht sie ja auch eher … defensiv, weil Sie mich gerade auffordern, unmittelbaren Zwang anzuwenden, für den ich offen gesagt auch keine Rechtfertigung sehe?“

Romy war sich alles andere als sicher mit ihrer Argumentation, aber der Gedanke, die alte Dame jetzt zu entwaffnen und sedieren zu lassen, kam ihr wirklich nicht richtig vor.

„Sie streckt Ihnen ein Messer entgegen! Ist das nicht Widerstand gegen die Staatsgewalt oder sowas?“, fragte der Pfleger.

„Pffff … Die Staatsgewalt ist da gerade selbst nicht so ganz sicher …“

„Mein Gott, jetzt machen Sie schon!“, stöhnte die Ärztin. „Ich hab auch noch andere Patienten und Termine heute.“

„HAUEN SIE AB!“, kreischte Frau Hinrichs, trat noch einen Schritt vor und furchtelte mit dem Messer in Romys Richtung.

Sie war noch immer über einen Meter entfernt, es bestand also noch keine unmittelbare Gefahr, aber Romy wich vorsichtshalber einen Schritt zurück und fühlte ihre Hand reflexartig an den Einsatzmehrzweckstock an ihrem Gürtel gehen. Und stieß dabei gegen irgendjemanden.

„Verdammte Axt“, fauchte sie, und stieß möglichst unauffällig den der restlichen Gruppe abgewandten Ellenbogen nach hinten. Der Pfleger keuchte auf und wich zurück. „Ich brauch Platz, hab ich gesagt!“

Es klang, als würde er noch etwas weiter zurückgehen. Gut.

„Frau Hinrichs“, sagte Romy.

„VERSCHWINDEN SIE!“, kreischte die alte Frau. Sie sah jetzt wirklich beängstigend aus, wie so eine Albtraumvision von Norman Bates‘ Mutter, mit weit aufgerissenen Augen, gelblichen, schiefen Zähnen, Speichel spritzte aus ihrem Mund, während sie schrie, das Messer zum Stich erhoben. „ICH WILL HIER RAUS!“

„Lassen Sie sich das jetzt wirklich gefallen?“, fragte die Ärztin.

„Haben Sie mal Zeitung gelesen?“, fragte der Pfleger. „Die Polizei ist in Deutschland doch eh nur noch zum Kuscheln da, und um anständige Steuerzahler wie uns zu schikanieren, wenn wir mal’n bisschen zu schnell fahren.“

„Alter, mir reichts jetzt“, sagte Romy. „Sie lassen Frau Hinrichs jetzt gehen, wohin sie will, oder Sie legen mir einen Fixierungsbeschluss vor, mehr gibts nicht. Suchen Sie sich doch einen anderen Hahnepampel, den Sie hier beschimpfen können, während er ihre Drecksarbeit macht.“

Sie trat zurück und breitete einen Arm in Richtung Flur aus, mit aufforderndem Blick zu Frau Hinrichs.

Die alte Frau funkelte sie misstrauisch an, senkte das Messer aber ein bisschen.

„Das meinen Sie doch nicht ernst!“, rief die Ärztin. „Das ist doch wohl Arbeitsverweigerung! Wofür sind Sie denn da!“

„Um Leute zu beschützen, die’s brauchen. Hab ich zumindest mal gedacht, als ich mich für die Ausbildung entschieden habe.“

Der Pfleger machte einen Schritt auf Frau Hinrichs zu.

„Bleibst du da stehen, du Kasper!“, knurrte Romy ihm aus dem Mundwinkel zu.

„Wie haben Sie mich gerade genannt?“

„Hm, was?“

Romy lächelte so unschuldig, wie sie konnte.

Frau Hinrichs schob sich vorsichtig durch den Flur, an den zurückweichenden medizinischen Fachkräften vorbei.

„Dann lassen Sie es halt mich machen!“

Der Pfleger griff nach dem Stock an Romys griff und zog daran, aber natürlich bekam er ihn so einfach auch wieder nicht ab.

Romy lachte ungläubig auf.

„Daniel!“, rief eine der Pflegekräfte erschrocken. „Mach keinen Mist!“

„Du lässt jetzt sofort meinen EMS los, sonst hast du ihn gleich an der Prostata“, sagte Romy, während sie seinen Arm wegdrehte.

„Das wird ein Nachspiel haben!“, sagte der Pfleger mit schmerzverzogenem Gesicht und rieb sich das Handgelenk.

Immerhin schien sein Übermut sich jetzt erst mal gelegt zu haben. Er hielt einen angemessenen Sicherheitsabstand.

„Sei froh, dass ich dich nicht festnehme, weil du mich angegriffen hast, du Jockel!“

„Pff, Angriff …“

„Wir melden das Ihren Vorgesetzten!“, stimmte die Ärztin zu. „Ich lass mein Büro eine Dienstaufsichtsbeschwerde schreiben. Wie ist Ihr Name?“

Romy zog eine Handvoll Visitenkarten aus der Tasche und warf sie in ihrer Richtung auf den Boden.

„Viel Spaß“, sagte sie, und folgte in vorsichtigem Abstand der Bewohnerin.

„Frau Hinrichs“, sagte sie, als die alte Frau den Aufzug erreicht hatte und den Rufknopf drückte.

Frau Hinrichs drehte sich überraschend agil zu ihr herum, wohl noch getrieben vom Adrenalin der unmittelbaren Bedrohung, schaute auch immer noch misstrauisch, aber schon gar nicht mehr so außer sich vor Wut an.

Romy schlug vor: „Können wir uns drauf einigen, dass Sie das Messer ein bisschen anders halten, wenn wir zusammen rausgehen? Ein bisschen weniger wie eine Amokläuferin und ein bisschen mehr, als wollten sie einfach nachher noch einen Apfel schälen? Wäre nicht nur für mich besser, sondern auch für Sie, stell ich mir vor.“

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